* 37 *
»Was um alles in der Welt ist denn das?«, fragte Marcia verärgert und vergaß schnell, wie erleichtert sie letzte Nacht gewesen war, Septimus und Jenna wohlbehalten zurück zu sehen. Sie fühlte sich nicht besonders. Beim Aufwachen hatte sie den Schatten neben sich auf dem Kissen liegen sehen. Das war nicht ungewöhnlich, denn seit ein paar Monaten konnte sie den Schatten immer deutlicher sehen, besonders morgens nach dem Aufwachen. Aber er hatte nie einen Laut von sich gegeben – bis jetzt. Tatsächlich war Marcia heute von einer tiefen Grabesstimme aufgewacht, die immer wieder ihren Namen rief: »Marcia ... Marcia ... Marcia ...«
Wutentbrannt hatte sie einen ihrer besten Pythonschuhe nach dem grässlichen Begleiter geworfen. Aber natürlich flog der Schuh einfach durch ihn hindurch und zertrümmerte einen kleinen Glastopf, den sie als Lehrling einst von Alther geschenkt bekommen hatte, als ihr eine besonders schwierige Projektion gelungen war. Der Verlust des Glastopfes ärgerte sie mehr, als sie erwartet hätte, und schlecht gelaunt stürmte sie die Treppe hinunter. Sie hatte von dem Schatten endgültig genug, und während sie die Küchentür aufriss und die Kaffeekanne anbrüllte, sie solle sich gefälligst beeilen, hatte sie beschlossen, gleich nach dem Frühstück den alten Weasal aufzusuchen und den Stopper, das letzte Bauteil des Schattenfangs, zu verlangen.
Und jetzt auch noch das.
»Septimus«, rief sie mit lauter Stimme.
Septimus setzte sich ruckartig auf. Im ersten Moment wusste er nicht, wo er war. Marcia half ihm auf die Sprünge. »Der Zaubererturm«, sagte sie und verschränkte erbost die Arme, »ist eine Stätte der Magie. Und kein Zoo.«
»Wie?«, fragte Septimus.
»Sieh dir das an – meine besten Decken voller Löcher. Ich weiß nicht, wo du diese Riesenmotte gefunden hast, aber du bringst sie auf der Stelle dorthin zurück.«
»Was für eine Riesenmotte?« Septimus fragte sich, ob er irgendetwas nicht mitbekommen hatte.
»Hä?«, murmelte Jenna, die unter dem Haufen Decken auftauchte.
»Oh, guten Morgen, Jenna«, sagte Marcia. »Schön, dass du wieder da bist. Die Ratte sagte – na ja, diese vermaledeite Ratte hat viel gesagt, und das meiste davon war Unsinn, soweit ich es beurteilen kann –, aber sie sagte, dass du noch rechtzeitig zum Mittsommerbesuch dort warst. Gut gemacht.«
»Danke«, sagte Jenna verschlafen. Sie setzte sich auf und steckte ihren Fuß durch ein großes Loch in der Decke. Sie wackelte mit den Zehen, als sei sie über ihren Anblick überrascht, und plötzlich schnappte etwas Grünes zu. »Autsch!«, schrie sie.
»Feuerspei!«, rief Septimus verblüfft. Er wusste von Tante Zelda, dass Drachen in plötzlichen Schüben wuchsen, aber das hier hatte er nicht erwartet. Feuerspei hatte sich durch den drachensicheren Beutel in die Freiheit genagt und war jetzt so groß wie ein kleiner Hund. Septimus packte ihn und zog ihn von Jennas Fuß weg. »Alles in Ordnung?«, fragte er sie.
»Ja, glaub schon – es sind noch alle zehn dran.« Sie rieb sich die Zehen, die von den Drachenkrallen etwas zerkratzt waren, und mit einem Blick auf Feuerspei, dessen kleine grüne Zunge in der Hoffnung auf ein Frühstück über Septimus’ Hand zuckte, setzte sie hinzu: »Gestern Abend war er noch nicht so groß, oder?«
»Nein«, grummelte Septimus. Er spürte, dass Ärger ins Haus stand, und wagte Marcia kaum anzusehen. Er konnte sich schon denken, was sie sagen würde. Und selbstverständlich sagte sie es.
»Was hatten wir ausgemacht, Septimus? Keine Haustiere! Keine Papageien, keine Leguane, keine Schildkröten, keine ...«
»Aber ... aber Feuerspei ist kein Haustier. Er ist ein ... Zaubermittel. Wie das Übungskaninchen im Hof.«
»Septimus, ein Drache ist kein Kaninchen. Du machst dir ja keine Vorstellung von den Schwierigkeiten ...«
Wie um zu beweisen, dass Marcia Recht hatte, entwand sich Feuerspei Septimus’ Griff und stürzte sich auf Marcias Füße. Er hatte die lila Pythonschuhe entdeckt. Etwas in seinem uralten Drachengedächtnis hatte ihm soeben gesagt, dass Drachen und Schlangen Feinde waren – und zudem war eine schöne lila Schlange ein leckerer Appetithappen vor dem Frühstück. Der zwei Tage alte Drache kam gar nicht auf die Idee, dass Marcias Schuhe nur aus der Haut einer Schlange bestanden oder dass die Füße darin einer reizbaren und mächtigen Zauberin gehörten, die eine ganz besondere Vorliebe für lila Schuhe und nicht die geringste Vorliebe für Babydrachen hatte. Ein leuchtend grüner Blitz schoss über den Fußboden, krallte sich in Marcias rechten Fuß und begann zu nagen.
»Au!«, schrie Marcia und schüttelte wie wild ihren Fuß. Aber Feuerspei hatte seine Lektion gelernt, seit Septimus ihn zwei Tage zuvor vom Finger geschüttelt hatte. Er ließ nicht locker und versenkte seine scharfen kleinen Drachenzähne in die Schlangenhaut.
»Zähne, lasst aus!«, stieß Marcia mit einiger Mühe hervor.
Feuerspei grub seine Zähne noch tiefer.
»Zähne, lasst aus!«, schrie Marcia.
Feuerspei biss noch fester zu und schüttelte die Schlangenhaut kräftig.
»Zähne, lasst aus!«, brüllte Marcia, endlich mit Erfolg. Feuerspei ließ den lila Pythonschuh los und watschelte, als hätte er sich nie im Geringsten für lila Schlangenhaut interessiert, zu Septimus zurück, hockte sich neben ihn und sah Marcia böse an.
Marcia sank auf einen Stuhl, rieb sich den Fuß und untersuchte den ruinierten Schuh. Septimus und Jenna hielten den Atem an. Was würde sie sagen?
»Septimus«, begann sie nach langer Pause. »Ich nehme an, dieses ... dieses Biest hat dich geprägt.«
»Hm, ja«, gab Septimus zu.
»Das dachte ich mir.« Sie seufzte schwer. »Als ob wir nicht schon genug Ärger hätten ... Weißt du eigentlich, wie groß so ein Drache wird?«
»Es tut mir leid«, murmelte Septimus. »Ich verspreche, dass ich mich um ihn kümmere. Ich werde ihn füttern, ihn stubenrein machen, mit ihm Gassi gehen – alles.«
Marcia war nicht gerade beeindruckt.
»Ich wollte ihn ja gar nicht«, sagte Septimus traurig. »Er ist aus Jennas Stein geschlüpft.«
»Ach?« Marcias Blick wurde milder. »Tatsächlich? Dann hast du ihn ausgebrütet... hm, das ist schon etwas Besonderes. Trotzdem, bis auf weiteres muss er in deinem Zimmer bleiben. Ich möchte nicht, dass er hier noch mehr Unfug anstellt.« Außerdem – aber das verschwieg sie Septimus lieber – wollte sie nicht, dass der imposante Drache durch Kontakt mit dem Schatten verdorben wurde. Wenn er der Gefährte ihres Lehrlings werden sollte, musste er von Schwarzer Magie möglichst fern gehalten werden.
Marcia ließ sich von Jenna in aller Ausführlichkeit erzählen, wie sie Simon entwischt war, und als sie von dem Flug des Drachenbootes in die Burg hörte, blitzte in ihren Augen verhaltener Triumph auf. »Dann bin ich jetzt also die Hüterin«, murmelte sie.
Septimus stutzte. »Ich glaube nicht. Ich bin mir sicher, dass immer noch Tante Zelda die Hüterin ist...«
»Unsinn«, entgegnete Marcia. »Wie soll das denn gehen? Sie ist doch weit weg in den Marschen. Das Drachenboot ist hier, in der Burg – und das ist auch gut so. Er ist ein vernünftiges Boot, der Drache. Diesmal wird ihn die Hüterin nicht im Stich lassen. Catchpole!«
Catchpole stieß nervös die Tür auf. »Sie haben gerufen, Madam Marcia?« Er schluckte.
»Ja. Gehen Sie mit dreizehn Zauberern sofort runter in die Bootswerft. Sie sollen das Drachenboot bewachen, unter Einsatz ihres Lebens. Verstanden?«
»Dreizehn Zauberer ... Drachenboot bewachen ... äh ... unter Einsatz ihres Lebens. Hm, ja. Danke, Madam Marcia. Wäre das alles?«
»Ich würde meinen, dass Sie damit fürs Erste genug zu tun haben, Catchpole.«
»Oh. Jawohl. Danke, Madam Marcia.«
»Ach ... und Catchpole?«
Catchpole stoppte seinen eiligen Rückzug. »Äh ... ja, Madam Marcia?«
»Wenn Sie das erledigt haben, dürfen Sie mit uns frühstücken.«
Catchpole fiel die Kinnlade herunter. »Oh«, sagte er, und dann, sich seiner Manieren erinnernd: »Oh, danke, Madam Marcia. Haben Sie vielen Dank.«
Das Frühstück wurde für Catchpole zur Qual. Er saß verlegen am Tisch, denn er wusste nicht, wie er sich Jenna und Septimus gegenüber verhalten sollte, ganz zu schweigen von Marcia, die ihm Angst einjagte.
»Ich sagte doch, dass Sie den Zauberern den Zutritt verwehren sollen, nicht meinem Lehrling. Ist Ihnen der Unterschied nicht klar?«, rüffelte ihn Marcia, während der Herd bereits zum zweiten Mal in dieser Woche den Kaffee überkochen ließ. Morgens war der Herd nie in Höchstform und daher beim Frühstück immer angespannt und nervös. Erschwerend kam hinzu, dass die Kaffeekanne schmollte, weil sie angeschrien worden war, und mit den Gedanken nicht bei der Sache war. Und um das Maß voll zu machen, nagte auch noch ein Drache an einem der Herdfüße. Es zischte laut, als der Kaffee auf die heiße Herdplatte schwappte und auf den Fußboden spritzte.
»Putzen«, blaffte Marcia. Ein Lappen sprang aus dem Spülstein und wischte die Schweinerei rasch auf.
Catchpole aß sehr wenig. Er saß da, drehte seine karierte Mütze in den Händen und schielte ängstlich zu Feuerspei, der in der Ecke neben dem Herd laut schmatzend einen Berg Haferbrei verschlang.
Nach dem Frühstück, das für Feuerspei aus zwei gebratenen Hühnchen, drei Laib Brot, einem Eimer voll Haferbrei, einem Tischtuch, fünf Litern Wasser und Catchpoles Mütze bestand, saßen Septimus, Jenna und Catchpole am Tisch und lauschten, während Marcia den Drachen nach oben brachte, ihn ins Lehrlingszimmer schubste und die Tür mit einem Zauber verschloss. Die drei am Tisch schwiegen betreten. Catchpole hielt die beiden abnehmbaren und mittlerweile feuchten Ohrenschützer seiner Mütze in der Hand, die Feuerspei wieder ausgehustet hatte, kurz nachdem er ihm die Mütze entrissen und verschlungen hatte.
Jenna stand auf. »Entschuldigung«, sagte sie, »aber ich glaube, ich sollte jetzt zu meinen Eltern gehen. Kommst du mit, Sep?«
»Vielleicht komme ich später nach. Ich möchte erst sehen, ob Marcia etwas für mich zu tun hat.«
»Ich werde dir sagen, was ich für dich zu tun habe«, sagte Marcia, die in diesem Moment etwas zerzaust in die Küche zurückkam. »Du gehst jetzt gleich ins Manuskriptorium und besorgst mir das Draxx-Erziehungshandbuch für Drachen. Und verlange die feuerfeste Zauberer-Originalausgabe. Lass dich nicht mit der billigen Papierausgabe abspeisen. Die übersteht keine fünf Minuten.«
»Ist nicht nötig«, sagte Septimus mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich habe ja das hier.« Er wedelte mit seinem Exemplar von Wie man die Aufzucht eines Drachen überlebt: ein praktischer Ratgeber.
»Das taugt nichts«, schnaubte Marcia. »Wo um alles in der Welt hast du das her?«
»Von Tante Zelda, und sie hat gesagt, ich soll mir noch den ...«
»... Almanach der geflügelten Frühzeitechsen besorgen«, beendete Marcia den Satz für ihn. »Der taugt noch weniger. Aber du bekommst sowieso keines von beiden, weil sie auf leicht brennbarem Papier gedruckt sind. Es muss das Draxx sein, Septimus, alles andere ist Schund.«
Begleitet von einem unheilvollen Rumpeln, das aus dem Lehrlingszimmer kam, verließen Jenna und Septimus überstürzt die Räumlichkeiten der Außergewöhnlichen Zauberin und begaben sich auf die Suche nach dem Draxx.
Halb in Erwartung, wieder einen schwarzen Reiter auf einem schwarzen Pferd auftauchen zu sehen, gingen Jenna und Septimus durch die Zaubererallee, aber diesmal schien alles normal. Es war mittlerweile später Vormittag, und die Sonne blinzelte hinter ein paar weißen Wolken hervor. Die Allee wimmelte von Bürogehilfen, die wichtige Botengänge erledigten – oder jedenfalls so aussahen –, und Passanten, die in Büchern und Pergamenten blätterten, die stapelweise auf Tischen vor den Geschäften auslagen.
»Was ist denn mit Marcia los?«, fragte Jenna, als sie sich dem Manuskriptorium näherten. »Sie ist ja noch muffiger als sonst.«
»Ich weiß«, erwiderte Septimus bedrückt. »Ich glaube, dass der Schatten allmählich Macht über sie gewinnt. Wenn ich doch nur etwas tun könnte.«
»Hör mal, Sep«, sagte Jenna besorgt, »vielleicht solltest du für eine Weile zu uns in den Palast ziehen.«
»Danke, Jenna, aber ich kann Marcia mit diesem grässlichen Schatten, der ihr auf Schritt und Tritt folgt, nicht allein lassen. Sie braucht mich.«
Jenna lächelte. Sie hatte gewusst, dass er das sagen würde. »Gut, aber wenn es mit Marcia zu schlimm wird, kommst du sofort in den Palast und redest mit Mum, versprochen?«
»Versprochen.« Septimus umarmte sie. »Bis dann, Jenna. Grüß Mum und Dad von mir. Sag ihnen, dass ich später noch vorbeischaue.« Er sah Jenna nach und wartete, bis sie am Ende der Allee sicher das Palasttor erreicht hatte. Dann stieß er die Tür zum Manuskriptorium auf, vernahm das vertraute »Bim« und trat in den schmuddeligen Verkaufsraum.
»Tag, Sep!«, rief eine fröhliche Stimme unter der Ladentheke hervor.
»Tag, Beetle.« Septimus grinste.
»Was kann ich für dich tun, oh weiser Lehrling?« Beetles Kopf tauchte hinter der Theke auf. »He, könntest du schnell einen Suchzauber für mich sprechen? Ich habe den besten Federhalter des alten Foxy verschlampt. Er ist hinten und tobt.«
»Na ja, eigentlich sollte ich ... aber hier, versuch’s mal mit meinem Magnet.« Septimus zog einen kleinen roten Magnet aus seinem Lehrlingsgürtel und reichte ihn Beetle. »Halte ihn mit dem offenen Ende dorthin, wo du den Federhalter vermutest, und dann konzentrierst du dich ganz fest auf den Federhalter. Du musst aber nahe genug rangehen, denn der Magnet ist nicht sehr stark. Ich bekomme einen besseren, wenn ich mein Such-und-finde-Projekt abgeschlossen habe.«
»Danke, Sep«. Bettle nahm den Magnet und verschwand unter der Theke. Nur Sekunden später tauchte er triumphierend wieder auf. Am Magnet klebte ein schmaler schwarzer Federhalter. »Du hast mich gerettet, Sep. Danke.« Er gab Septimus den Magnet zurück. »Bist du aus einem bestimmten Grund hier? Kann ich etwas für dich tun?«
»Ah, ich brauche das Draxx-Erziehungshandbuch für Drachen. Wenn du es dahast.«
»Zauberer-Wasserfest, Zauberer-Feuerfest oder für fortgeschrittene Zauberer? In Sprechdruck oder bewegten Bildern? Luxusoder Sparausgabe? Grüner oder roter Einband? Neu oder gebraucht? Groß oder ...«
»Zauberer-Feuerfest«, unterbrach Septimus. »Bitte.«
Beetle saugte an den Zähnen. »Hm, schwierig. Ich weiß nicht, ob wir die Ausgabe dahaben.«
»Aber du hast doch gesagt...«
»Theoretisch haben wir sie natürlich. Nur praktisch nicht. Das Draxx ist sehr selten, Sep. Die meisten Exemplare werden ziemlich schnell gefressen. Oder versengt. Bis auf die Zauberer-Feuerfesten, vermute ich mal.« Dann, als er sah, wie enttäuscht Septimus war, flüsterte er: »Weil du’s bist, lasse ich dich ins Magazin für wilde Bücher und Charms. Wenn wir das Buch haben, findest du es dort. Du kannst dich in Ruhe umsehen. Komm mit.«
Septimus zwängte sich an der großen Ladentheke vorbei, und nachdem sich Beetle vergewissert hatte, dass sie unbeobachtet waren, schloss er eine hohe schmale Tür auf, die in der Holzverkleidung des Verkaufsraumes versteckt war, und stieß sie auf. Septimus fiel auf, dass sie mit dicken Brettern verstärkt war. Beetle legte den Finger auf die Lippen. »Du musst ganz leise sein, Sep. Hier darf eigentlich keiner rein. Und keine abrupten Bewegungen, klar?«
Septimus nickte und folgte ihm in den Raum. Beetle zog die Tür hinter ihnen zu, und Septimus hielt den Atem an – es kam ihm so vor, als wäre er wieder im Wald und von Wolverinen umzingelt. Das Magazin für wilde Bücher und Charms war nur schwach erleuchtet und roch irgendwie streng. Es bestand aus zwei langen hohen Regalreihen mit Eisenstäben an der Vorderseite, hinter denen die wilden Bücher zusammengepfercht waren. Als Septimus hinter Beetle vorsichtig durch den schmalen Mittelgang ging, vernahm er das leise Knurren, Scharren und Rascheln von Büchern, die an die rostigen Stäbe drängten.
»Entschuldige die Unordnung«, flüsterte Beetle und hob einen Stapel zerrissener und angeknabberter Charms hoch, an denen Fellbüschel klebten und die, wie Septimus zu erkennen glaubte, voller Blutflecken waren. »Letzte Nacht hatten wir hier eine kleine Rauferei zwischen den Charms aus einem Zauberbuch von Ahriman Aardvark und einem Wolfshexenpamphlet. Irgendein Idiot, der das Alphabet nicht kennt, hat sie nebeneinander gestellt. Kein schöner Anblick. Jetzt lass mich mal sehen ... Dinosaurier ... Drosophila ... nein, ich bin schon zu weit. Drachenbücher müssten eigentlich hier stehen, wenn wir welche dahätten. Du musst selber suchen und schauen, ob du was findest. Ich muss wieder in den Laden, falls jemand nach mir sucht. Ich möchte nicht, dass irgendwer Verdacht schöpft.« Damit huschte Beetle davon und ließ Septimus zwischen Fellen, Federn und Schuppen allein.
Teils gegen den Gestank, teils weil er merkte, dass er gleich fürchterlich niesen musste, hielt sich Septimus die Nase zu und spähte in der Hoffnung, etwas zu entdecken, auf dem Draxx stand, in das Halbdunkel. Die Bücher mochten es nicht, wenn sie angestarrt wurden. Sie veränderten ihre Position, und ein oder zwei größere, stärker behaarte Exemplare ließen ein drohendes Knurren vernehmen. Aber keine Spur von dem Draxx oder einem anderen Buch, das von Drachen handelte.
Septimus blickte gerade durch die Gitterstäbe auf ein schuppiges Buch, auf dem kein Titel stand, als ihn jemand auf die Schulter tippte.
»Iiih!«, schrie er auf.
»Pst!«, zischte Beetle. »Dein Bruder ist hier.«
»Nicko? Was will er denn? Was hat er gesagt?«
»Nicht Nicko. Simon.«